Supergroups der 90er? Fast Fehlanzeige
Wer abseits des Rock-Olymps sucht, entdeckt in den 90ern eine Formation, die alles vereinte: Soul, Trip Hop, Pop – und drei große Namen.
Wer abseits des Rock-Olymps sucht, entdeckt in den 90ern eine Formation, die alles vereinte: Soul, Trip Hop, Pop – und drei große Namen.
Ein eigenes Radio für den coolen Dance-Sound der 90er. Jetzt einschalten!
Der Begriff Supergroup klingt nach Übergröße, nach Allianzen von Giganten. Und tatsächlich: In den 1980ern war das Konzept ein musikalisches Machtstatement. Beispiel gefällig? Band Aid. 1984 riefen Bob Geldof und Midge Ure zum Studiotermin – und gefühlt kam ganz Großbritannien. Freddie Mercury, Bono, George Michael, Sting, Paul McCartney... "Do They Know It’s Christmas?" wurde nicht nur ein Nummer-1-Hit, sondern ein Pop-Kulturdenkmal.
Supergroups waren zu der Zeit echte Events, nicht nur musikalisch, sondern gesellschaftlich. Asia, gegründet 1981, war eine britische Megaformation aus den Überresten von Yes, Emerson, Lake & Palmer, King Crimson, The Buggles und Uriah Heep. Ihr Debütalbum war ein Bombast-Monument. "Heat of the Moment" wurde zur Stadion-Hymne, das Album verkaufte sich millionenfach. Wenig später, 1984, während einer Duran Duran-Pause, taten sich John Taylor und Andy Taylor mit Robert Palmer und Tony Thompson zusammen. Heraus kam ein funkiger Hybrid aus Pop-Rock und Dance-Groove. Sie zeigten: Crossover war möglich und Chartmaterial.
Die 90er? Sie wirkten auf den ersten Blick Supergroup-müde. Das Jahrzehnt suchte keine Helden mehr, sondern glaubwürdige Stimmen. Der Zeitgeist hieß DIY, Authentizität, Indie, Grunge, HipHop. Doch wer genau hinsieht, entdeckt im Schatten von Nirvana und Rave-Explosionen durchaus spannende Allianzen großer Namen – sie waren nur leiser, unauffälliger.
1990er, US-Indie-Szene: Kim Deal von den Pixies und Tanya Donelly von Throwing Muses gründen The Breeders – mit Mitgliedern von Slint und The Perfect Disaster. Ihr 1993er-Album Last "Splash" mit dem Hit "Cannonball" wurde zum Kultobjekt. Indie? Klar. Supergroup? Auch. Nur eben nicht mit Pomp, sondern mit DIY-Attitüde.
Mitte der 90er: Guns N’ Roses liegen auf Eis, Axl Rose versinkt im Kontrollwahn. Also gründet Slash kurzerhand Slash’s Snakepit – mit Ex-Kollegen und Alice in Chains-Bassist Mike Inez. Das Ergebnis? "It’s 5 O’Clock Somewhere" – ein raues, riffgeladenes Album, das an die goldenen Tage des Hardrock erinnert. Kein Chartgigant, aber für Fans ein Stück Rebellion in Reinform.
Wenn jemand den Begriff Supergroup mit den 90ern versöhnt hat, dann Dave Grohl. Nach Kurt Cobains Tod startete er die Foo Fighters – erst als Solo-Projekt, dann mit Musikern von The Germs, Sunny Day Real Estate und später auch wieder Pat Smear (Nirvana). Was als Nebenprojekt begann, wurde zur neuen Speerspitze des Mainstream-Rock. Die Foo Fighters brachten Hymnen ("Everlong, My Hero") und Herz in den Alternative Rock – ganz ohne den Pathos der 80er, aber mit ähnlichem Impact.
Und dann war da noch Buena Vista Social Club – ein musikalisches Wunder. Ry Cooder, amerikanischer Gitarren-Guru, reiste 1996 nach Kuba und versammelte dort Legenden der 40er und 50er Jahre: Ibrahim Ferrer, Compay Segundo, Rubén González… Was als Projekt begann, wurde ein globaler Erfolg. Das gleichnamige Album verkaufte sich millionenfach, der Film von Wim Wenders rührte Millionen. Kein Pop, kein Rock – aber ein transatlantisches Supergroup-Wunder, das die Zeit überdauerte.
Während im Rock-Bereich die Supergroups ausfransten, blühte anderswo etwas auf: In der elektronischen Musikszene entstanden Kooperationen, die zwar weniger laut, dafür umso innovativer waren. Ein Genre stand dabei im Zentrum: Trip Hop. Trip Hop, geboren im Bristol der späten 80er, war der Soundtrack zur urbanen Melancholie. Mit Elementen aus HipHop, Dub, Soul und Electronica schufen Acts wie Massive Attack, Tricky, Everything But The Girl und Portishead einen ganz eigenen Stil: dunkel, langsam, emotional aufgeladen. Die Szene war experimentierfreudig.
1996 veröffentlicht eine britische Formation ein Lied namens "You're Not Alone" – und zunächst passiert: nichts. Ein Jahr später, im Remix, schlägt der Song ein wie ein Blitz. Platz 1 der UK-Charts, Clubhit, Radio-Dauerbrenner. Und die Band? Olive – ein Name, den kaum jemand kennt, aber hinter dem sich eine waschechte Supergroup der 90er verbirgt. Tim Kellett, Keyboarder bei Simply Red. Robin Taylor-Firth, Producer bei Nightmares on Wax. Ruth-Ann Boyle, Sängerin bei Enigma. Was wie ein Geheimtipp klingt, war in Wahrheit ein klug gebautes Trio aus Soul, Electronica und Songwriting-Exzellenz. "You're Not Alone" war ihr größter Hit – und ein Song, der heute noch frisch klingt.
Die Rock-Welt der 80er war voller Supergroup-Pomp. Die 90er gingen andere Wege. Sie waren intimer, diverser, hybrider. Statt Gitarrensoli gab es Breakbeats. Statt Glam gab es Groove. Statt Lagerfeuerrock gab es urbane Elektronik. Und mittendrin: Olive. Eine Band, die alles vereinte – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie sagten uns: "You're Not Alone". Und meinten damit vielleicht auch: Die Supergroup lebt. Nur nicht, wo du sie vermutest.