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Captain Jack, Rödelheim Hartreim Projekt, Sven Väth
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Captain Jack, Rödelheim Hartreim Projekt, Sven Väth
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Hessens goldene 90er: Rap, Rave und Eurodance

Wir drehen die Bassbox zurück auf Anfang und reisen ins Hessen der 90er – dorthin, wo Rap, Rave und Radiohits Geschichte geschrieben haben.

*NSYNC mit Tearin' Up My Heart

90s90s HESSEN

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Der coole Sound der 90s mit News, Wetter und Verkehr aus Hessen. Jetzt hier 90s90s Hessen einschalten.


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*NSYNC mit Tearin' Up My Heart
Sven Väth
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Sven Väth

Warum war Hessen in den 90ern ein Hotspot für Techno, Deutschrap und Eurodance?

31. Oktober 1998, Frankfurt am Main. Vor dem Omen stauen sich die Menschen, viele tragen schwarz, einige silberne Bomberjacken, andere Neon, viele kurze Raverfrisuren. Drinnen tobt der Ausnahmezustand: Sven Väth steht an den Decks, als würde er den Weltuntergang auflegen. Der Bass hämmert, als wolle er sich ins Fundament der Junghofstraße fräsen. Es ist die letzte Nacht des Omen, jener Club-Legende, die einst Techno von Frankfurt aus in alle Himmelsrichtungen schickte. Sven Väth ist natürlich Haupt-DJ. Es ist sein Club. In fast allen authentischen Mitschnitten und Zeitzeugen-Interviews, wird später betont, dass er die Closing-Nacht musikalisch über 12 Stunden lang bespielt. Die Stimmung wird als „Endzeit-Party“ beschrieben. Noch ein letztes Mal bebt der Dancefloor, schwitzen Körper an Körper, schreit das Kollektiv seine Geschichte gegen das Ende. Und es werden wohl Rekordmengen an Drogen genommen. Als um 8:45 Uhr morgens die Lichter angehen, klatschen Fremde sich in die Arme. Das Omen ist tot – aber die Musik lebt weiter. Techno.

Das musikalische Hessen der 90er war ein vielstimmiger Kosmos: Hier donnerte der Bass im Omen, aber auch im Terminal des Dorian Gray. Hier formierten sich Straßenpoeten im Rödelheim Hartreim Projekt, während auf den Dörfern Eurodance produziert wurde, der bis nach Japan durchrauschte. Wer die 90er in Hessen verstehen will, muss sich auf eine Reise begeben – zurück in ein Jahrzehnt, in dem Beats, Reime und Charts made in Hessen geschrieben wurden.

Sven Väth: Vom Schlosserlehrling zum "Babba" der Technoszene

Einblicke ins "Dorian Gray" - die Kultdisco im Frankfurter Flughafen
Einblicke ins "Dorian Gray" - die Kultdisco im Frankfurter Flughafen

Dorian Gray: Wo die Nacht am Flughafen nie endete

Wer am Wochenende mit der Lufthansa in Frankfurt landete und feierwütig war, ließ das Gepäck links liegen und folgte dem Bass. Runter in Terminal 1, Richtung Dorian Gray. Der Club, 1978 eröffnet und bis 2000 aktiv, wurde Anfang der 90er zur Hochburg für elektronische Musik. Das Dorian Gray war kein Keller-Club. Es war eine ungewöhnlich gestylte Parallelwelt in einem der größten Flughäfen Europas – mit Lasershow, gigantischer Lichtanlage und einer Soundanlage, die auf Höhe der Triebwerkslautstärke spielte. Hier stand Sven Väth, bevor er mit dem Omen Geschichte schrieb. Hier testete er neue Tracks, mixte Acid mit Trance, wob Chicago-House in Detroit-Sounds und machte das Dorian Gray zur internationalen Pilgerstätte. Carl Cox , Paul van Dyk, Laurent Garnier – sie alle drehten hier auf. Und während Berlin sich noch sortierte, tanzte Frankfurt bereits durch die Nacht, angetrieben von DJs, die nicht nur auflegten, sondern Bewegungen starteten.

Die besten Technoclubs der 90er

Sven Väth Interview | OMEN Frankfurt Closing Party 1998 | VIVA Berlin House Special
Sven Väth Interview | OMEN Frankfurt Closing Party 1998 | VIVA Berlin House Special

Techno: Der Soundtrack einer neuen Republik

Techno war in Hessen nicht nur ein Musikstil – er war eine Identität. Die Szene verstand sich als modern, international und grenzenlos. Frankfurt wurde zur Zentrale, Hessisch Techno zum Begriff: härter als Berliner Minimal, emotionaler als Detroit, oft mit einem düsteren Unterton. Labels wie Harthouse und Westside waren stilprägend, DJs wie Chris Liebing, Pascal F.E.O.S., DJ Dag oder Talla 2XLC trieben die Entwicklung voran. Und dann war da noch die Frontpage - mehr als ein Magazin – es war eine Szene-Bibel. Entstanden direkt aus dem Umfeld des Frankfurter Clubs Dorian Gray, des Technoclubs und natürlich des Omen, begleitete es den Siegeszug von Acid, Techno, Breakbeats und Jungle durch die 90er. Das Heft kombinierte wilde Layouts (teilweise kaum lesbar, aber stilprägend), radikale Meinungsfreude, DJ-Charts, Plattenkritiken und Clubreportagen. Und es war stilprägend für den DIY-Charme und die Attitüde der Rave-Kultur. Vor allem das Omen wurde zum Symbol – für viele war es das Berghain der 90er. Mit dem Umzug der Szene-Schwerpunkte nach Berlin (ab Mitte der 90er) verlor Hessen zwar an medialer Sichtbarkeit, aber nicht an Relevanz. Die Techno-Wurzeln blieben – und mit ihnen eine Subkultur, die bis heute lebt.

Heute schon für den 90s90s Countdown abgestimmt?

Rödelheim Hartreim Projekt - Reime (Official 3pTV)
Rödelheim Hartreim Projekt - Reime (Official 3pTV)

Die Straße wird Studio – Hessen erfindet den deutschen Rap neu

Während Berlin noch Battle-Rap in Schulhöfen übte, wurde in Rödelheim Klartext gerappt. Das Rödelheim Hartreim Projekt um Moses Pelham und Thomas Hofmann war stilbildend – nicht nur musikalisch, sondern auch in Haltung und Soundästhetik. Ihr 1994er-Debüt „Direkt aus Rödelheim“ war ein Faustschlag für die deutsche HipHop-Szene. Keine Sprachakrobatik wie bei den Fantas, keine Studenten-Coolness wie in Hamburg – hier regierten Beton-Vibes, Street Credibility und rotzige Direktheit. „Hartreim“ war nicht nur ein Wortspiel – es war ein Versprechen. Und es ging auf: Hits wie „Höha, schnella, weita“ fanden den Weg ins Radio, obwohl sie eigentlich aus Kellern stammten. Und: In diesem Kosmos entstand mit Sabrina Setlur die erste weibliche Deutschrap-Ikone – produziert von Moses P., gefeiert von Bravo bis Spex. Rödelheim war plötzlich Zentrum einer Kultur, die sonst nur in New York verortet wurde. Aggro Berlin? Kam später.

Und dann war da noch jener Moment 1997, als Moses Pelham nicht nur den Beat setzte, sondern auch Stefan Raab die Nase gerade rückte – mit der Faust. Auslöser: Stefan Raabs Spott über Sabrina Setlur, Moses Pelhams Protegé und Aushängeschild seines Rödelheimer Imperiums. Während der VIVA Comet-Verleihung krachte es hinter den Kulissen – und plötzlich war Deutschrap nicht mehr nur Straßenpoesie, sondern auch Schlagzeile. Aber ganz Deutschland wusste danach: In Hessen nimmt man Rap ziemlich ernst.

Prügelei beim Echo 1997: Das sagt Moses P. heute

Culture Beat - Mr. Vain (Official Video)
Culture Beat - Mr. Vain (Official Video)

Eurodance: Zwischen Dancefloor und Darmstadt

Was vielen erst auf den zweiten Beat auffällt: Auch Eurodance – dieser wilde, glitzernde Bastard aus Rap, Refrain und Rave – hatte in Hessen eines seiner produktivsten Biotope. Snap!, die mit „The Power“ und „Rhythm Is a Dancer“ gleich zwei globale Dancefloor-Beben auslösten, wurden von Michael Münzing und Luca Anzilotti produziert – einem Frankfurter Duo, das zuvor unter dem Namen Off bereits mit Sven Väth zusammengearbeitet hatte. Die Beats kamen also nicht aus L.A., sondern aus dem Rhein-Main-Gebiet – Studio, Management und Mastering inklusive. Auch Captain Jack, die Uniformträger der Eurodance-Ära, hatten ihren Ursprung direkt am Rand von Wiesbaden: Udo Niebergall, Produzent und Manager, formte dort das Projekt, das später mit "Drill Instructor" bis nach Japan marschierte. Und dann wäre da noch Culture Beat: gegründet vom Frankfurter DJ Torsten Fenslau, der sein Sounddesign zwischen Clubnächten im Dorian Gray und Produktionen in Darmstadt entwickelte. Mit „Mr. Vain“ landete Culture Beat 1993 den europäischen Sommerhit schlechthin.

Hessen hat in den 90ern mehr Musikgeschichte geschrieben, als viele ahnen. Von Rödelheim bis Eschwege, vom Clubkeller bis zur Charts-Show: Der Beat war oft made in Hessen. Und wer 1998 im Omen stand, weiß – die Nächte der 90er waren bunt, laut und voller Energie. Jetzt 90s90s HESSEN einschalten – der Soundtrack dieser Ära, direkt für euch. Aus’m Radio, in de Kopp – des is 90s90s HESSEN, wie mer’s gern habbe.

Kennt ihr die Story hinter "Mr. Vain"?