Happy Birthday, Miseducation
Zwischen Huldigung durch die junge Generation, Kritik an ihren Auftritten und „Working Mum“–Status: Lauryn Hills Vermächtnis bleibt lauter als die Kritik.
Zwischen Huldigung durch die junge Generation, Kritik an ihren Auftritten und „Working Mum“–Status: Lauryn Hills Vermächtnis bleibt lauter als die Kritik.
Die 90er waren ohne Zweifel die goldenen Jahre für Rap und Hiphop-Fans.
Sommer 2025. New Orleans, 2:37 Uhr morgens. Die meisten Festivalbesucher schlafen längst. Die große Bühne, auf der Lauryn Hill hätte brillieren sollen, ist nur spärlich gefüllt. Technikprobleme, Verspätung, Enttäuschung. Doch als sie endlich da ist – in weißem Gewand, mit zwei ihrer Kinder an ihrer Seite – passiert etwas anderes: ein intimer Moment, fast wie ein Wohnzimmerkonzert im Stadionformat. Gleichzeitig rollt im Netz eine andere Welle: Rapperin BIA verneigt sich mit ihrer neuen Single „One Thing“ öffentlich vor Lauryn Hill – und setzt damit ein popkulturelles Zeichen. 27 Jahre nach dem gigantischen Soloalbum „The Miseducation“ von Lauryn Hill.
Wer „The Miseducation of Lauryn Hill“ feiert, muss mit den Fugees beginnen. 1996 bringt das Trio Lauryn Hill, Pras Michel und Wyclef Jean mit „The Score“ einen Gamechanger raus – ein Sample-lastiges, souliges und dennoch messerscharfes Album, das HipHop einen neuen Klang verleiht. Mit Songs wie „Ready or Not“ und „Killing Me Softly“ wird Lauryn Hill zur Ikone, die zeigt, dass Rap und Gesang kein Widerspruch sind – und dass Frauen im Mic-Game nicht nur mithalten, sondern führen können. Doch der Ruhm ist kurzlebig. Interne Spannungen, eine zerbrochene Beziehung zu Wyclef Jean, kreative Differenzen: Die Fugees halten nicht lange. Lauryn Hill? Sie geht solo.
Im August 1998 erscheint Lauryn Hills erstes und einziges Studioalbum – ein Meilenstein, der alles verändert. „The Miseducation of Lauryn Hill“ ist persönlich, politisch, poetisch. Es geht um Liebe, Gott, Mutterschaft, Selbstachtung. Um Schwarze Identität in einer weißen Branche. Um das Recht, sich selbst zu definieren. 27 Jahre später gilt das Album noch immer als Referenz.
Vor wenigen Wochen hat BIA ihre neue Single „One Thing“ rausgebracht. Die Hook? Eine klare Hommage an “Doo Wop (That Thing)” – Lauryn Hills Hit von 1998. Es ist ein Tribut.
Dieses Lied ist meine Ode an Lauryn Hill. Danke, dass du den Takt für alle Frauen und kommenden Generationen erhöht hast.
Lauryn Hill hat sechs Kinder!
Lauryn Hills erste Kinder kamen genau in jener Übergangszeit zur Welt, in der sie zur Solo-Ikone wurde – zwischen Fugees-Aus, Album-Durchbruch und Grammy-Höhenflug. Fünf Auszeichnungen in einer Nacht, darunter „Album of the Year“ – als erste HipHop-Künstlerin überhaupt –, machten sie 1999 zur Legende. Sechs Kinder folgten ihrem Grammy-Aufschlag. Dass sie sich dann aus dem Rampenlicht zurückzog, wird von vielen als Bruch gesehen – von anderen als Notwendigkeit verstanden.
Lauryn Hill hat nie ein Geheimnis daraus gemacht. Mutterschaft war eine bewusste Entscheidung gegen die Maschinerie des Popbetriebs. Sie tourte mit Kindern, nahm Auszeiten, schirmte ihre Familie ab. Und wurde dafür beschimpft: als unprofessionell, launisch, unzuverlässig. Doch in Wahrheit ist Lauryn Hill vor allem eins: Working Mum in einer Welt, die Frauen mit Kindern oft keinen Platz einräumt.
Model und Sängerin. Selah Marley läuft für Chanel, Calvin Klein, stand 2016 als Model für Kanye Wests „Yeezy Season 4“–Show auf der Bühne. Später kritisierte sie Kanye West öffentlich. Selah Marley ringt sichtbar mit ihrer Herkunft – und erhebt daraus ihre Stimme.
Der Star des Jahres. Mit „Praise Jah in the Moonlight“ liefert YG Marley einen globalen Hit, der Reggae-Tradition mit Trap-Vibes verbindet. Seine Live-Auftritte mit Lauryn Hill – zuletzt beim Essence Festival – sind legendär. Als Enkel von Bob Marley und Sohn von Lauryn Hill trägt YG Marley zwei musikalische Blutlinien in sich – und bringt sie hörbar zusammen.
John Nesta Marley arbeitet an einem eigenen Fashion-Label, entwirft Cover für die Platten seiner Familie und ist bei deren Musikvideos oft für die Visuals verantwortlich. Er meidet Kameras – und bleibt im Hintergrund.
Der Vater von Lauryn Hills ersten fünf Kindern ist Rohan Marley, Sohn von Reggae-Ikone Bob Marley. Rohan Marley war in den 90ern nicht nur als Footballspieler aktiv, sondern machte sich später auch als Unternehmer einen Namen – unter anderem mit nachhaltigem Kaffeeanbau in Jamaika. Seine Beziehung zu Lauryn Hill begann Mitte der 90er und war langjährig, intensiv und öffentlich – aber nie unkompliziert. Die beiden heirateten nie, lebten zeitweise zusammen, und ihre Familienplanung entwickelte sich parallel zu Lauryn Hills Rückzug aus dem Popbetrieb. Trotz aller Höhen und Tiefen pflegen sie bis heute ein enges Verhältnis – vor allem über die gemeinsamen Kinder, die beide Eltern in ihrer künstlerischen Laufbahn unterstützen.
Micah Hill ist der Jüngste – und bisher der Stillste. Er ist der einzige Nicht-Marley unter den Kindern. Wer sein Vater ist, hat Lauryn Hill nie öffentlich gemacht. Micah Hill spielt Basketball, trägt Vintage-Jerseys und wurde kürzlich mit einem Jugend-Basketball-Coach gesichtet.
Lauryn Hill hat Fehler gemacht. Ihre (Un-)Pünktlichkeit ist legendär. Sie sagte ganze Tourneen kurzfristig ab, brach Konzerte mitten im Set ab oder ließ Fans stundenlang warten. Ihre Interviews sind rar, ihre Auftritte unberechenbar. Aber sie hat in ihrem Leben klare Grenzen gesetzt. Sie hat Kinder großgezogen, während die Welt wohl lieber Grammys von ihr wollte. Mit dieser Haltung hat Lauryn Hill Generationen geprägt – musikalisch, politisch, feministisch. Und wir feiern deshalb heute 27 Jahre „Miseducation“.
Das Album startete mit beeindruckenden 422.000 verkauften Einheiten in der ersten Woche – ein bis dahin unerreichter Rekord für eine Solo-Künstlerin in den USA. Es stieg direkt auf Platz 1 der Billboard 200 ein, wo es sich vier Wochen lang hielt, und dominierte gleichzeitig sechs Wochen die US-R&B/HipHop-Charts. Weltweit verkaufte sich das Lauryn Hill-Album über 20 Millionen Mal. Die Lead-Single „Doo Wop (That Thing)“ landete direkt auf Platz 1 der Billboard Hot 100 – als erste Debüt-Single einer Rapperin überhaupt. Kritiker überboten sich in Lobeshymnen: Das Rolling Stone Magazine nannte das Album „mutig und emotional kompromisslos“.
Die Grammy Awards 1999 machten es offiziell: Mit fünf Auszeichnungen – darunter Album of the Year – schrieb Lauryn Hill Geschichte als erste Solo-HipHop-Künstlerin, die diesen wichtigsten aller Musikpreise gewann. Happy Birthday, „The Miseducation of Lauryn Hill“.